„Winterjam“-Festival an der Eastern Michigan University

Ein Einblick in die christliche Pop/Rock-Szene der Vereinigten Staaten

von Jonas Evers (Kl. 11/ATJ)

Es ist etwa 17 Uhr in Grand Rapids, Michigan. Vor dem „Convocation Center“ der Eastern Michigan University hat sich eine etwa 300 Meter lange Schlange gebildet. Alle Menschen in dieser sauber geordneten Reihe nehmen es aus demselben Grund auf sich, stundenlang in der beißenden Kälte zu stehen: Sie wollen zum „Winterjam“, einem Musikfestival, das am 18.01.2019 große Namen, wie Mandisa, Ledger oder die Newsboys präsentiert hat.

Foto: Jonas Evers

Falls ihr von noch keinem dieser sehr erfolgreichen Musiker etwas gehört habt, seid ihr sicherlich keine Ausnahme. Alle Künstler sind Teil einer Musikszene, die außerhalb einer sehr bestimmten Gruppe von Menschen eigentlich nicht weiter in Erscheinung treten. Alle sind sie gutaussehend, geben sich auf der Bühne glänzend und singen in C-Dur. Alle sind sie christlich. 

Der Wirbel rund um christlichen Pop/Rock ist in den USA vor allem in Michigan besonders groß. Was an diesen christlichen Musikfestivals allerdings am interessantesten ist, ist die Gruppendynamik eines Kreises von Menschen, die zwar alle aus unterschiedlichen Verhältnissen kommen, aber dasselbe Gedankengut teilen.

Convocation Center, Grand Rapids; Foto: Jonas Evers

Mittlerweile hat sich das „Convocation Center“ gut gefüllt und ein Sprecher tritt auf die Bühne. „Bevor wir heute den ersten Gast auf unserer Bühne begrüßen, wollen wir gemeinsam unserem Herrn danken.“ Schlagartig wird es totenstill im Stadion und die Köpfe tausender Menschen senken sich zum Gebet.

Der erste Sänger kommt auf die Bühne gestürmt. Mit einer Gitarre in der linken und einem Mikrofon in der rechten Hand begrüßt er das Publikum enthusiastisch: „Hello Church!“ – ein roter Faden, der sich durch das ganze Konzert zieht. Tatsächlich verbringen die Bands etwa nur die Hälfte ihrer Auftrittszeit mit dem Musizieren ihrer Songs. Die andere Hälfte wird gesprochen. Jeder Künstler auf der Bühne erzählt eine eigene Geschichte und wie er oder sie zu Gott gefunden hat. Die Sängerin Ledger packt in der Mitte des Konzertes über eine Freundin aus, die unter einer Abtreibung gelitten hat. Passend dazu wird der Trailer für einen Film gezeigt, der gegen Abtreibungen wettert. Unplanned handelt von Abby Johnson, einer Ärztin, die in einer Klinik für Abtreibungen zu arbeiten beginnt, aber schnell anfängt über ihre Tätigkeit nachzudenken und „zu Gott und zur Wahrheit findet“. Der Saal bricht in Applaus aus.

Kurz vor 22 Uhr kommt es dann zum großen Finale. Die Newsboys betreten die Bühne. Bestehend aus zwei Sängern, zwei Gitarristen, Drummer und Keyboarder gehört die Band in der Szene zur Crème de la Crème. Dementsprechend außer sich ist das ganze Publikum, während die Musiker performen. Aufgeheizt nutzt einer der beiden Sänger die Gelegenheit, um von seinen Erlebnissen der letzten Jahre zu erzählen. Unter Präsident Trump hätte sich sein Leben verändert, und er hätte mehr zu Gott gefunden, erzählt er sinngemäß. Er selbst stamme aus dem Ghetto, seine Eltern wären liberal und würden Demokraten wählen. Nach Jahren des Kampfes mit sich selbst und seinem Elternhaus hätte er sich losgerissen, um seinen konservativ-christlichen Traum zu leben. Nun stehe er hier auf der Bühne und wolle davon erzählen.

Die Hände zum Himmel ausgestreckt stehen Menschen während der Songs da, einige tanzen, andere beten. Alle zelebrieren ein Musikfestival, bei dem sich alle einig sind und nicht viel Platz für andere Meinungen bleibt. Ein Musikfestival, bei dem ich mich nicht entscheiden kann, ob es gutmütig oder erziehend sein will. Ein Musikfestival, von dem ich niemals gedacht hätte, dass es existieren könnte.

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