Bipedie: Die Eigenart des Menschen

Die zweibeinige Geschichte der Hominiden

Von Sweja Boekhoff (EPh)

Beinahe alle Primaten-Spezies auf der Erde sind quadropedal, also vierbeinig. Wir selbst als homo sapiens gelten als eine der wenigen bipedalen Arten (und dazu auch noch als die Einzige nicht ausgestorbene). Doch wie kam es dazu? Schließlich laufen wir und unsere direkten Vorfahren erst seit kurzer Zeit auf zwei Beinen, zumindest mit Blick auf den allgemeinen Zeitraum, den die Gruppe der Primaten bereits auf unserem Planeten existiert.

Unsere spezielle Unterart der Hominiden, der Menschenaffen, gibt es seit circa 300.000 Jahren und stammt, wie auch viele der zu dieser Zeit ebenfalls vorhandenen Arten, aus Afrika. Homo sapiens stellt eine von über 200 Primaten-Arten dar. Und wenn wir uns auch in der gleichen evolutionären Gruppe befinden, stammen wir doch nicht von den heute lebenden Affenarten ab. Höchst wahrscheinlich handelt es sich bei unserem nähsten Vorfahren um homo heidelbergensis, eine Hominiden-Art, die gleichermaßen die direkten Vorfahren zu den Neandertalern darstellen.

Visueller Vergleich der Schädel dreier Hominiden; Illustration: Sweja Boekhoff

Wir heben uns stark von anderen Hominiden ab. Mit unserem leichteren Körperbau, den größeren Köpfen, angepasst an die gesteigerte Größe des Gehirns, mit der flachen Stirn und den dünnen Schädelwänden sowie den deutlich vertikal aufgebauten Teilen unseres Körpers, ist selbst innerhalb der Gruppe Homo (Mensch) ein Unterschied leicht zu erkennen. Doch besonders einzigartig macht uns Menschen der Gang auf zwei Beinen.

Bei der Bipedie handelt es sich um einen größtenteils symmetrischen Gang mit der hauptsächlichen Nutzung vom Laufen und Rennen. Die unsymmetrische Gangart des Hopsens kommt besonders wegen ihrem hohen Energieverbrauch eher selten vor.

Das Laufen auf zwei Beinen entwickelte sich in den Hominiden erstmals mit den Arten des Australopithecus vor ungefähr 4 Millionen Jahren. Sichtbar ist dies an den vorhandenen Fossilen dieser Arten.

Das Becken der aufrecht gehenden Hominiden, wie auch des modernen Menschen, musste sich stark an diese Art des Gehens anpassen, um nicht zu langwierigen Schäden der Wirbel der unteren Wirbelsäule zu führen, als auch, um in der Lage zu sein, das gesamte Gewicht des Oberkörpers tragen und ausbalancieren zu können. Hierzu verstärkte sich der Knochen, und die Beckenklingen wurden niedriger, um den Wirbeln mehr Freiraum zu bieten. Ebenfalls sorgte diese Verkürzung zu einer Verlagerung des Massenschwerpunkts und sorgte für einen breiteren Ankerpunkt der Beinmuskulatur. Darüber hinaus trug die zunehmende Rundung der unteren Wirbelsäule zur Balance bei. Gleichzeitig musste jedoch ein weiteres Balance-Problem ausgeglichen werden. Denn beim aktiven Gehen neigt die nicht unterstützte Hälfte des Körpers dazu, in sich zusammen zu sacken. Als Gegenmaßnahme diente die Weiter-Ausbildung des Gesäßmuskels, welcher nun das absackende Gewicht des Körpers stützt.

Visueller Vergleich der Beckenknochen dreier Hominiden; Illustrarion: Sweja Boekhoff (EPh)

Natürlich hatte die Änderung des Becken-Aufbaus nicht nur den Grund der Bipedie. Ebenfalls half es bei der Wärmeregulation sowie der Geburt von Kindern.

Doch auch andere Teile des Skeletts haben sich sichtlich an einen bipedalen Gang angepasst. So zum Beispiel der adduktierte große Zeh (liegt näher am Rest der Zehen), der starke bikonduläre (zwei Gelenke betreffend) Winkel der Hüftgelenke sowie die Lendenwirbelsäule mit sechs Post-Übergangswirbeln.

Vor etwa 2.5 Millionen Jahren, zu Beginn des Pleistozäns, hatte der zweibeinige Gang eine fast moderne Form erreicht. Aber während die fossilen Zeichen zur Entwicklung der Bipedie recht deutlich und bekannt sind, so gilt dies nicht für den Grund dieses Wechsels der Gangart.

Eine der frühesten Theorien, die der „ursprünglichen Zweifüssigkeit“, welche unter anderem von dem Berliner Anatomen Prof. M. Westenhöfer vertreten wurde, schreibt die schon damals recht populäre Theorie der Affen-Abstammung um und stellt stattdessen den Menschen als Ursprung der Primaten dar. Somit wäre die Zweibeinigkeit eine ursprüngliche Eigenschaft unseres evolutionären Zweigs und erst die späteren Affenarten hätten aus ihr die heute vertretene Vierbeinigkeit gemacht. So heißt es laut dieser Theorie eben nicht, dass ein menschlicher Embryo affenähnlich, sondern das Embryo eines Affen viel mehr menschenähnlich wäre. Diese Theorie wurde jedoch sowohl durch neue wissenschaftliche Funde, als auch wegen des Gedankens, der Mensch sei eine evolutionär „zurückgebliebene“ Art, verworfen. Doch gibt es auch heute noch viele Theorien diese Frage betreffend – einige mehr und andere weniger weit verbreitet. Es ist jedoch wichtig anzumerken, dass eine Mischung aus mehreren Theorien als Lösung durchaus plausibel ist.

Natürlich gibt es Menschen, die einfach sagen, [ex] die Entwicklung der Bipedie sei ein Zufall gewesen. Es handele sich um ein vorteilhaftiges Merkmal und hätte sich deshalb weiter entwickelt. Doch es ist zu bedenken, dass die Zwischenstufen zwischen Zwei- und Vierbeinigkeit zu großen Nachteilen bzgl. der Schnelligkeit geführt haben.

Andere sehen den Grund in einer Änderung des Lebensraums. Ein Umzug von den dichten Wäldern in die Weiten der Savanne könnte zu der uns bekannten aufrechten Haltung geführt haben. Überblick über das hohe Gras ist schließlich essenziel zum Erkennen von sowohl Jägern als auch eigenen Beutetieren.

Eine weitere Hypothese lehnt sich das Verhalten der modernen Schimpansen an. Diese richten sich auf ihre Hinterbeine auf, wenn sie nach hoch gewachsenen Früchten greifen und diese essen. Hierbei stützen sie sich mit einer Hand an den Baumstamm und strecken die andere nach oben. Dies zeigt eine Veränderung nicht zum Laufen, aber zum Essen. Hier stellt sich jedoch die Frage, ob diese Hypothese überhaupt die gestellte Frage beantwortet. Schließlich geht es nicht um die Anfänge des Aufstehens, sondern die der bipedalen Fortbewegung.

Einigen mag bei dem Gedanken an unsere aufrechte, hohe Haltung vielleicht das ein oder andere Tier in den Kopf gekommen sein, welches eine ähnliche Position zur Verteidigung einnimmt. Auch dies ist eine der möglichen Erklärungen für unseren Gang. Doch schon wieder stellt sich eine Gegenfrage: Weshalb wären wir die einzige Gruppe, die ihre Drohhaltung direkt zu ihrer neuen Gangart gemacht hat? Dies zog schließlich viele Änderungen und Kompromisse mit sich.

Und dann ist da natürlich Darwin. Seine Theorie, dass die Menschen ihre Hände für Werkzeuge befreien mussten, ist leider weniger plausibel. Denn die frühesten bekannten Werkzeuge kamen erst ganze 1.5 Millionen Jahre nach dem bekannten Beginn der Bipedie zum Einsatz.

Zusammenfassend fehlen uns noch viele Informationen zu unserer eigenen Geschichte. Doch es ist immer wichtig, sich eines vor Augen zu halten: Veränderungen wie diese geschahen nicht von jetzt auf gleich, sondern zogen sich über Millionen Jahre und mehrere Arten hinweg. Nur eine noch breitere Forschung und die Analyse von Fossilien kann zu möglichen vertieften Antworten führen.


Quellen:

Anonym: “What does it mean to be human?”, in: Smithsonian National Museum of Natural History, https://humanorigins.si.edu/evidence/human-fossils/species/homo-sapiens.

Pequera, Paulino und Biancardi: “Common motor patterns of asymmetrical and symmetrical bipedal gaits”, in: PeerJ (2021), https://doi.org/10.7717/peerj.11970.

Machnicki, Spurlock, Strier, Reno und Lovejoy: “First steps of bipedality in hominids: evidence from the atelid and proconsulid pelvis”, in: PeerJ (2016), https://doi.org/10.7717/peerj.1521.

Gruss und Schmitt: “The evolution of the human pelvis: changing adaptations to bipedalism, obstetrics and thermoregulation”, in: The Royal Society Publishing (2015), https://doi.org/10.1098/rstb.2014.0063.

de Sarre, Francois: „Die Theorie der ursprünglichen Zweifüssigkeit. Ein phylogenetisches Modell zur Entwicklungsgeschichte des Menschen, der Säuger und der übrigen Wirbeltiere“, in: Bipedia 6(1991), aktualisierte Version 2000, http://cerbi.ldi5.com/imprimersans.php3?id_article=1&nom_site=Site%20miroir%20du

Ko, Kwang Hyun: “Origins of Bipedalism”, in: Brazilian archives of Biology and Technology 58 (2015), Nr. 6, https://doi.org/10.1590/S1516-89132015060399.

Harcourt-Smith, W.E.H.: “The Origins of Bipedal Locomotion”, in: Handbook of Palaeoanthropology, hrsg. von Winfried Henke und Ian Tattersall, Kap. 5, 22014, S. 1483-1518, 10.1007/978-3-540-33761-4_48

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