Studieren in Zeiten von Corona

Mit Überlebenstipps für den Fernunterricht

Gastbeitrag von Patrick Heike (Abiturjahrgang 2014)

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geschlossene Tiefgarage; Foto: Alexander Biele

Vor einem Jahr änderte sich mein gewohntes Studienleben in Oldenburg radikal. Genau wie am Mariengymnasium war auch an der Universität von einen auf den anderen Tag alles anders: Keine Seminare mehr und auch keine Vorlesungen. Kein Austausch mit anderen Studenten, völlig egal ob wir „wichtige Dinge“ diskutierten, über den Alltag sprachen oder einfach nur Blödsinn erzählten. Die Bibliothek und die Parkhäuser bleiben ebenso geschlossen.

geschlossene Bibliothek; Foto: Alexander Biele

Stattdessen heißt es seitdem sich morgens aufraffen, Laptop an, Headset anschließen und den Unidozenten zuhören. Nach drei Wochen hatten sich Studierende und Hochschullehrer*innen langsam eingespielt und alles funktionierte einwandfrei. Dasselbe war es trotzdem nicht, was nicht an der häuslichen Jogginghose lag (denn die tragen erstaunlich viele Studenten auch einfach so jeden Tag in der Uni). Motiviert zu bleiben ohne richtige soziale Kontakte ist ebenso schwierig beim Lernen an der Uni wie auch beim Lernen an der Schule. Zwischen den Sitzungen schnell etwas essen, eine Runde Sport treiben (vielleicht kommt man dabei an der leeren Uni vorbei) und weiter geht’s.

geschlossene Universität mit Vogel; Foto: Alexander Biele

Aufmunterer sind zweifellos die vielen kleinen Malheure, die sich einschleichen. Das Mikro war noch an (achtet bloß auf das Mikro!), irgendwer kommt ins Zimmer gestürmt oder jemand ist vor der Kamera eingeschlafen. Nein, Studieren unter Coronabedingungen ist nicht einfach. Die Prüfungsleistungen sind aktuell oftmals ein Graus. Wegen fehlender Präsenzveranstaltungen werden die Prüfungen dementsprechend umfangreicher. Von den innig vermissten Partys und leeren Clubs in der Innenstadt ganz zu schweigen. Auch die Oldenburger Wohnungen stehen größtenteils leer. Viele Studierende wohnen wieder zuhause, da die Nebenjobs eingebrochen sind. Auch das ist eine traurige Wahrheit des Studierens unter Corona.

Doch zählen wir auch mal die Vorteile des Distanzlernens auf: Zunächst die Jogginghose, die man den ganzen Tag tragen kann, ohne jegliche noch so kleine Gewissensbisse. Natürlich das Essen vor der Kamera, wenn man plötzlich Hunger bekommt, ohne, dass man sich gleich komisch fühlen muss. Mit dem Laptop kann man zudem auch mal bequem an den ersten zwei Stunden im Bett teilnehmen. Wenn die Haare mal nicht sitzen, völlig egal, einfach kurz im Chat schreiben: „Entschuldigung, wenn ich die Kamera starte, bricht die Leitung zusammen.“ Und wenn man völlig schmerzfrei ist: „Entschuldigung mein Laptop hat keine Kamera.“ Auch der Lernort weist gewisse Toleranzen auf. Egal wo ich sitze, ich kann von überall an den Onlineseminaren teilnehmen, draußen, bei Freunden, beim Kochen oder am Strand.

Dennoch, Corona ist eine der größten Herausforderungen, der sich Studierende in ihrem bisherigen Leben stellen müssen. Doch gibt es uns auch die Chance Gedanken zu ordnen, unsere Perspektive und was uns wirklich wichtig ist, zu überdenken, vielleicht den einen oder anderen Menschen mehr wertzuschätzen und nicht alles für selbstverständlich zu nehmen. Das zumindest kann ich aus dieser ganzen Geschichte mitnehmen. Wer weiß, vielleicht begegnen wir uns alle ein bisschen anders, ein wenig zugewandter, wenn wir wieder können.

Und nach der tiefgreifenden Ansprache zum Abschluss noch etwas Lustiges. Meine drei Tipps für ein erfolgreiches Onlinestudium (sicherlich auch übertragbar auf Onlineunterricht):

1. Sich vergewissern, dass der Ton aus ist, wenn man die langweilige Sitzung verflucht und denkt, was man alles Schönes hätte tun können.

2. Wenn der Dozent eine Frage stellt und man absolut keine Ahnung hat, einfach erstarren und anschließend sagen, die Verbindung sei zusammengebrochen.

3. Solange der obere Teil der Kleidung gut aussieht, kann einem alles unterhalb der Kamera völlig egal sein. Sieht ja eh keiner.

In diesem Sinne wünsche ich allen, die studieren wollen, dass sie es so können, wie es für mich bis vor einem Jahr möglich war: Mit allen Sinnen voll und ganz eingetaucht ins Unileben.

Eine Antwort auf „Studieren in Zeiten von Corona“

  1. Jedem ergeht es in der aktuellen Situation anders, weshalb ich die Möglichkeit ergreifen möchte, auch eine andere Perspektive darzustellen. Einiges erleben alle gleich, weiteres eben doch anders, um nicht alles zu wiederholen, möchte ich mich hier aber auf die Dinge beschränken, die noch nicht erwähnt wurden.

    Als (noch) Erstsemester habe ich die Uni noch nie ohne Corona erlebt, in meinem ersten Semester war ich bisher nur dreimal vor Ort, was auf der eine Seite zu offensichtlichen Nachteilen führt, hat für mich aber auch seine Vorteile: Immerhin muss ich keine Wohnung in Hannover bezahlen oder mich vollkommen umstrukturieren, weil es aufgrund der erheblich höheren Inzidenzwerte nur schwer zu verantworten wäre, in eine Großstadt zu ziehen oder meine anderen Pläne einfach nicht mehr umgesetzt werden können. Da alle mit der Situation leben, finden sich die Freunde und Lernpartner nun eben nicht vor dem Vorlesungssaal, sondern auf Discord. Dafür bietet es sich auch besser an, den ganzen Tag zusammen zu lernen, denn etwas anderes ist ohnehin nicht drin. Morgens schnell die anderen im Voicechat getroffen, einer teilt den Bildschirm seines Tablets und schon kann’s losgehen, ohne Suche nach Terminen, dem passenden Ort oder einem schiefen Blick, weil wieder jemand die Hand vor dem hat, was man gerade lesen wollte.

    Wenn die Motivation nicht von alleine kommt, kommt sie vielleicht von anderen oder ich muss mir sagen „Die Klausur am Ende des Semesters musst du bestehen“, woraus dann langsam ein „Wir müssen den Stoff für diese Woche noch fertig machen, sonst musst du das alleine machen, denn ich habe keine Lust darauf, das alles direkt vor der Klausur zu lernen“ wird. Sicherlich ist auch mir die Balance nicht wirklich gut gelungen, denn wenn man sich statt zum Kneipengang am Freitagabend zum Online Lineare Algebra-Quiz um 20:00 Uhr verabredet, nutzen wir die Lage immerhin zu dem, wozu wir sie nutzen können und, hey, wir alle sitzen am Ende von alledem lieber mit Freunden zusammen um zu unternehmen, was es zu unternehmen gibt, anstatt den Stoff nachzuholen, der im „Corona-Loch“ liegen geblieben ist.

    Wenn ich jedem, der aktuell weniger gut klarkommt einen Satz sagen könnte, wäre das in etwa der folgende: „Keiner kann alleine lernen und wenn wir aktuell nicht in die Schule oder Uni können um am Unterricht teilzunehmen oder Vorlesungen zu hören, bleibt uns nichts anderes übrig, als uns die Lernpartner online zu suchen, denn die angebotenen Videokonferenzen sind zwar ganz schön, aber auf Eigeninitiative können wir dennoch nicht verzichten, den anderen geht es schließlich auch nicht anders.“ Und wenn das alles nichts hilft bleibt noch die eine Motivation: Irgendwann ist das alles vorbei und wir können wieder das tun, was wir wirklich tun möchten, auch wenn das manchmal nur Onlinespiele sind, dann aber wenigstens mit anderen Gedanken…

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