Zeit der Entscheidungen

Einführungsphase – wird es jetzt richtig ernst?

von Nur Ali (Kl. 11)

Als ich die zehnte Klasse abschloss und mein Zeugnis des ersten und zweiten Halbjahres in den Händen hielt, wurde mir klar, dass ich nun nicht mehr zur Mittelstufe gehörte. Mit dem Beginn der elften Klasse begann auch meine erste Zeit als Oberstufenschülerin. Selbstverständlich fieberte ich, wie viele Andere auch, der Oberstufe freudig entgegen (vgl. den Beitrag von Vanessa Küchenhoff in dieser Ausgabe), da man hier nicht nur näher an sein Abitur rückt, sondern auch Freiheiten genießen darf, die Unter- und Mittelstufenschüler nicht auskosten können.

Oberstufengebäude; Foto: Valentina Kunze

Ein besonderes Beispiel wäre hier das Verlassen des Schulgeländes in Pausen, Mittagspausen und Freistunden. Dies ist Oberstufenschülern gestattet, während alle Anderen auf dem Schulgelände bleiben müssen, bis ihr Unterricht für den Tag beendet ist. Des Weiteren ist das D-Gebäude, welches überwiegend von der Oberstufe genutzt wird, aufgrund der gestatteten Handynutzung und der schönen Klassenzimmer momentan weitaus attraktiver, als die Klassenräume des A-Gebäudes, in denen sich vermehrt Mittelstufenschüler untergebracht finden. Jedoch sind die Freiheiten nicht das Einzige, was die elfte Klasse von den anderen Jahrgängen unterscheidet. Sicherlich ist es keine Überraschung, dass die Einführungsphase auf die zwölfte und dreizehnte Klasse und damit auf das Abitur vorbereiten soll.

Doch inwiefern ändert sich der Unterricht? Und wie beeinflusst das die Schüler und deren Leistungen? Ich kann nur von dem berichten, was ich persönlich empfinde und wahrnehme.Was besonders stark auffällt, ist, dass das gewissenhafte Arbeiten ganz groß geschrieben wird. Formalitäten in Klausuren, im Unterricht und in Hausaufgaben sowie strukturierte Vorarbeiten, welche das Markieren von Texten und das Erstellen von Marginalien und Schaubildern nach sich ziehen, werden nicht nur nachdrücklich eingefordert, sondern auch streng gewertet. Was Klausuren betrifft, spielen die Operatoren eine präsentere Rolle als zuvor. Zu fast jedem Fach gibt es Operatoren, die man kennen sollte, um Aufgaben zu verstehen und richtig bearbeiten zu können. Besonders wichtig sind die Operatoren meiner Meinung nach in gesellschaftswissenschaftlichen Fächern wie beispielsweise Geschichte, Politik und Erdkunde. Viele Schüler sind sich oft unsicher, was man zum Beispiel bei einer „Charakterisierung“ genau machen muss, oder was der Unterschied zwischen der Widergabe eines Textes und der „Erläuterung“ des zu behandelnden Themas ist. Rechtschreibung und Grammatik werden nun ebenfalls strenger gewertet als zuvor und das nicht nur im Deutschunterricht. In fast jedem Fach kann das vermehrte Auftreten von groben Fehlern „gegen die sprachliche Richtigkeit“ (wie es im Fachjargon der Pädagogen heißt) zu Punktabzügen führen.

Apropos Punkte: Ein großer Unterschied ist die Form der Leistungsbewertung. Erstmals hört der Schüler etwas von Notenpunkten. Notenpunkte ersetzen die bisher gängigen Noten und werden ab jetzt in schriftlichen sowie mündlichen Leistungen angewendet. Sie haben jedoch die gleiche Bedeutung und das gleiche Gewicht wie die Noten zuvor. Man bekommt beispielsweise in der Klausur keine 2 mehr, sondern 11 Notenpunkte. Man bekommt in der mündlichen Mitarbeit keine 3- mehr, sondern 7 Notenpunkte. Möglich zu erreichen sind 0–15 Punkte, wobei 0 Punkte einer 6 entsprechen und 15 Punkte einer 1+. Diese doch relativ auffällige Veränderung ist meiner Meinung nach Gewöhnungssache, und nach einiger Zeit erscheinen die Notenpunkte sogar plausibler und praktischer als die etwas stumpfe frühere Benotungsform.

Ein weiterer Punkt, den ich zur Einführungsphase hinzufügen möchte, sind die immer präsenter werdenden Themen „Werdegang“, „Beruf“, „Studium“, „Ausbildung“, „Stärken“, „Schwächen“ und „Interessen“. Man kommt dem Abitur nicht nur näher, sondern auch dem Ende der Schulzeit. Was möchte ich später machen? Was sind meine Interessen? Was kann ich besonders gut? Nicht nur den Schüler/innen schießen diese Gedanken in den Kopf, auch die Schule hilft nach und sorgt mit dem in der Einführungsphase stattfindenden Pflichtpraktikum für eine erste Orientierung. Auch das Auseinandersetzen mit seinen eigenen Stärken und Interessen wird durch die Wahl des Schwerpunktes für die nächsten beiden Jahrgänge stark gefördert. Insgesamt gibt es vier Schwerpunkte. Den sprachlichen Schwerpunkt A, den gesellschaftswissenschaftlichen Schwerpunkt B, den naturwissenschaftlichen Schwerpunkt C und den sportlichen Schwerpunkt D. Ebenfalls hat man die Möglichkeit, sein Seminarfach zu wählen. Erstmals kann der Schüler auch entscheiden, in welchem Bereich er seine eA-Fächer, welche sicher noch unter dem alten Begriff „Leistungskurse“ bekannt sind, belegen möchte. Wenn man besonders gut in Englisch und Französisch/Latein/Italienisch ist, kann man den Schwerpunkt A wählen und die entsprechenden eA-Kurse besuchen. Wenn einem die Mathematik und die Naturwissenschaften sehr liegen, hat man die Möglichkeit, diese Fächer im Schwerpunkt C als eA-Fächer zu belegen. Auch kann man unter Umständen Fächer abwählen, die einem nicht liegen.

Für entschlossene Schüler kann es sehr einfach sein, schnell eine Entscheidung zu treffen. Für Andere kann die Wahl sehr anstrengend und schwierig sein, besonders wenn man Interesse für mehrere Schwerpunkte zeigt und sich nicht entscheiden kann, oder wenn man einfach nicht weiß, wo genau seine Stärken liegen. Ich persönlich finde, dass die Einführungsphase nicht nur eine Zeit der Gewissenhaftigkeit, Formalitäten und Selbsteinschätzungen ist, sondern auch die Zeit der Entscheidungen. Sicher, die Veränderungen in der elften Klasse können beunruhigen, aber der Unterricht baut immer noch auf den ähnlichen bis gleichen Grundprinzipien auf wie zuvor, weshalb man meiner Meinung nach keine Sorgen haben muss, den Ansprüchen nicht gerecht zu werden, wenn man zuvor bereits gute Noten hatte. Anspruchsvoller ist das Lernen jedoch tatsächlich geworden, und das mag durchaus eine Herausforderung sein.

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